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Warum man sich nur zu gern aus dem Staub machen möchte...

Deutschland im Oktober 2021 - Das Land hat gewählt, es hat mehrheitlich für ein Weiter so votiert. Zudem lassen es sich wieder einmal Demokratiespötter und Extremisten im Bundestag auf Kosten unserer Gesellschaft gut gehen. Ja - auch sie wurden demokratisch gewählt. Mir kam spontan das Böckenförde-Diktum in den Sinn, welches besagt: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ .

Welche Voraussetzungen sind hier gemeint? In meinen Augen lebt eine Demokratie vom informierten Engagement ihrer Bürger. Ein klares Wählervotum für eine konsequente 1,5 Grad-Politik hätte im September zumindest einen hoffnungsvollen Grad des allgemeinen Informationsstandes und des daraus abzu-leitenden Engagements reflektiert. Unter einem solchen Engagement verstehe ich aktuell den Willen andere ökologisch-soziale Wege, sprich Wege der Nachhaltigkeit zu suchen und einzuschlagen. Wir müssen ökologische  Grenzen endlich als gesetzt und fix akzeptieren. Andernfalls droht unsere gesellschaftliche Basis zu erodieren. Diese Perspektive sehe ich politisch allenfalls ansatzweise realisiert. Die Volksparteien haben in den letzten Jahrzehnten unter Beweis gestellt, dass sie sich scheuen nachhaltige Wege einzuschlagen. Sie haben die Idee der Nachhaltigkeit zur politischen Unkenntlichkeit degradiert und tragen einen erheblichen Anteil der Verantwortung für die Abnahme des bürgerlichen Engagements. Bleibt zu hoffen, dass die kleinen "Wahlgewinner" es auch ernst mit ihrer Aufbruchsrhetorik meinen und der zukünftigen Kanzlerpartei einen solchen auch abtrotzen werden. 

 

Ein erster Wandel gesellschaftlicher Wahrnehmung

Lange genug gibt es in der Wissenschaft mahnende Worte zur Umkehr. Viele unserer heutigen Probleme und Krisen wurden schon vor Jahrzehnten prognostiziert. Ob die Ressourcenkrise, die 1972 durch Dennis Meadows et al. für den Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums) oder das soziale Auseinanderdriften unserer Gesellschaft, welches schon 1979 durch Erich Fromm (Haben oder Sein) prognostiziert wurde. Vielleicht sind aktuell die Voraussetzungen hierzu eher gegeben.

Die aktuelle Sandkrise kann man als weiteres Indiz für zukünftige Konsequenzen nichtnachhaltigenden Handels begreifen. Politiker warnen vor der zunehmenden Fragmentierung der Gesellschaft und verweisen auf einen allgemein raueren Umgangston, Hate Speech, Drohungen und Tätlichkeiten gegenüber Vertretern der inneren Sicherheit, der Feuerwehr und der Medizin, bishin zu Anschlägen auf öffentliche Einrichtungen und dem Mord andersdenkender und andershandelnder Menschen (z.B. Walter Lübcke).         

Unsere Gesellschaft beginnt nur langsam derartigen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Diese Woche hat mit Klaus Hasselmann ein Klimamodellierer den Nobelpreis für Physik erhalten. Herr Hasselmann hat bereits in den 1960ger Jahren die menschliche Verantwortung für die Klimakrise herausgearbeitet. Im März hat das Bundes- verfassungsgericht das Klimaschutzgesetz der großen Koalition aus dem Jahr 2019 als verfassungswidrig eingestuft. So sehen die Karlsruher Richter durch die Vertagung klimarelevanter Maßnahmen die Freiheitsrechte kommender Generationen beeinträchtigt. "Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030". Nach Verständnis des Gerichts überlassen wir der jungen und den kommenden Generationen die Behebung des, von uns angerichteten Schadens. Sofern man diesbezüglich überhaupt noch von einer Behebung sprechen kann. Hierdurch sehen die Richter einen Verstoß gegen grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte junger Menschen. Erste Schritte in Richtung Klimagerechtigkeit, die ein Umdenken auf einigen gesellschaftlichen Ebenen widerspiegeln. Bleibt zu hoffen, dass die zukünftige Bundesregierung diesem Auftrag gerecht wird und wir es wieder schaffen Gemeinsamkeiten wahrzunehmen. 

 

 

Der für unsere Demokratie wichtigere Wahrnehmungswandel steht noch aus 

Die voran beschriebenen Lichtblicke sind allesamt auf den Ebenen der Politik und der Rechtsprechung anzutreffen. Angedachte und gefordert Maßnahmen zu einem Wandel müssen jedoch ihre konkrete Umsetzung finden. Diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit sie auch von uns mitgetragen werden. Statt informiertes Engagement für das System (unsere Gesellschaft) trifft man nur zu oft auf Anzeichen von Isolation und Resignation. Ja - wir sehen uns durch Medien mit einer erschlagenden Menge an Informationen und teilweise auch Wissen konfrontiert. Die Auswahl belastbarer Informationen und relevanten Wissens kommt aktuell einer Sisyphosaufgabe gleich. So vermeiden wir Informationen anhand eigenen Wissens zu beurteilen oder realen Fachleuten Vertrauen entgegen zubringen. Vielmehr wappnen wir uns mit mundgerechtem Informationsfastfood zum Kampf um Singularitäten. Pastorin Annette Behnkenfand in ihrem Wort zum Sonntag  diesbezüglich das Bild der Bescheidwisser. So wissen Bescheidwisser es einfach besser als andere UND leiten daraus die Legitimation ab, ihre Verurteilungen auf Bauchgefühlniveau digital durch die Glasfaserkabel zu jagen. Allzu leicht wird jedoch vergessen, dass man sich um Wissen erst real bemühen (LERNEN) muss.

Häudfig wird nur allzu gern vergessen, dass die Wahrnehmung der Grenzen des eigenen Wissens von essentieller Bedeutung für vernunftorientiertes (nachhaltigen) Handels ist. Mancher MitMensch, der weiß, was er nicht weiß, verfügt schon durch seinen Zweifelsfall über ein belastbareres Wissen als die meisten Bescheidwisser. Diese mangelnde Wertschätzung für Faktenwissen führt in meinen Augen auch im realen Leben zu einer zunehmenden Verankerung verzerrter Bilder in unserer Gesellschaft.

So sieht man sich beispielsweise häufig mit Aussagen konfrontiert, die an Realitätsferne kaum zu überbieten sind und / oder allenfalls in autoritären Regimen ihre Berechtigung fänden. Häufig haben sie aber nichts mit der gelebten Realität in unserem Land zu tun. So machen "die da oben" auch keinen guten Job, weil wir hier unten auch unseren Job nicht so gut machen. Anstatt sich selbst zu informieren und berechtigte Forderungen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme an "die da oben" zu stellen, bedienen sichimmer mehr Mitmenschen alter und neuer Feindbilder wie auch neuer Freundbilder, die häufig die Menschen und Dinge an sich verzerrt darstellen. Es ist schwer auszumachen, welche Seite die furchterregendere sein mag. Soziale Medien werden mehr und mehr zu finanziellen, wie auch informationellen Drahtziehern gesellschaftlicher Entwicklungen. Während sich öffentlich-rechtliche Medien von gewissen Seiten einem Lügenmedien-Shitstorm ausgesetzt sehen, wird anderen wiederum, wie in einer Massenpsychose, völlig unreflektiert Glauben geschenkt. Wer anfängt über Fakten aus den sozialen Medien zu diskutieren, läuft schnell Gefahr an seinem Gesprächspartner und der Realität vorbeizusprechen. Für eine zunehmende Anzahl von Menschen sind soziale Medien die aktuellen Autoritäten zur Realitätsbeschreibung. Was dort steht, gilt. (• PUNKT). Mit diesen Schattenbildern bewaffnet sich der Bescheidwisser zum Kampf um Aufmerksamkeit. HIerin scheint auch schon der ganze Sinn derartiger Scheindiskussionen zu liegen, von möglichst vielen als Singularität (Andreas Reckwitz,  Die Gesellschaft der Singularitäten) wahrgenommen zu werden. Ob intendiert oder nicht, Fake News und Hate Speech kommen durch soziale Medien zu nicht zu überbietenden Reichweiten. Kognitive Verzerrungen bestimmen in einem zunehmenden Maße unsere Wahrnehmung. Dabei meine ich nicht Aussagen von Menschen, die aus sozialen Notlagen heraus nichtnachhaltig denken und handeln. Nein, es geht mir um Menschen, die ihre Energie und ihr Wissen für nachhaltige Gedanken, Gespräche und Projekte einsetzen könnten, sich aber ihrer demokratischen Verantwortlichkeit nicht bewußt werden oder sich ihr bewußt verweigern. Das Leben in der späten Moderne findet nur allzu oft nach dem Skript des Quick´n Dirty statt. Unter einem obskuren zeitlichem Diktat wird nur allzu gern Leichtverdauliches als Fakt angepriesen, ohne dass man sich Fragen zur Belastbarkeit der Aussagen macht. Diese Realitätsverweigerung aus Geltungsdrang und Bequemlichkeit lässt uns die Realität allenfalls schemenhaft verzerrt wahrnehmen. Statt der zurecht von Ernst Ulrich von Weizsäcker Anders Wijkman 2019 (Wir sind dran...) geforderten zweiten Aufklärung unter Einbindung von Wissen und traditionellem Wissen, scheint der Zeitgeist eher Antiaufklärerisches zu befeuern. Nachhaltiges Handeln ist keine neue Erfindung. Die Historikerin Annette Kehnel verweist in ihrem aktuell Werk (Wir konnten auch anders) auf zahlreiche Formen des ökologischen und sozialen Miteinanders (Nachaltigkeit), welsche schon im Mittelalter gang und gäbe waren.

 

Als Randnotiz ist noch zu bemerken, dass sich die Arglosigkeit gegenüber sozialen Medien auch in der Spendierfreudigkeit für persönliche Daten widerspiegelt. Treffend hat der koreanische Philosoph Byung-Chul Han in diesem Kontext den Begriff des mobilen Arbeitslagers geprägt. Unsere Anfälligkeit für emotionale Reaktionen wird von der Werbung (z.B. Präsentation Win11) genutzt und t.w. durch Lobbyverbände schamlos ausgenutzt (Klimawandel -  Manipulation statt Information) um unsere Meinung zu manipulieren. Brave New World?!       

 
 
Durch manchen Riss dringt bereits Licht, für jeden zugänglich...

Bei aller Negativkritik dürfen aber auch nicht die kleinen Lichtblicke übersehen werden. Wie Harald Welzer es in einem Gespräch mit Barabara Bleisch sehr schön in ein Bild von Leonard Cohen zu fassen wusste (SRF, Sternstunde Philosophie). "Forget your perfect offering. There is a crack in everything.This is how the light get´s in". In meinen Augen führt das beherzte Hinterfragen dazu, dass die "Wahrheitsbehauptungen" sozialer Medien und anderer wirschaftlicher und gesellschaftlicher Zweige Risse bekommen. So wird hermetisches Bescheidwissen porös für Belastbares, für bessere Bilder von den Dingen an sich (Wissen). Somit wäre einmal der Aufbruch aus selbstverschuldeter Unmündigkeit ein Weg sich neue Mögllichkeitsräume zu schaffen. Zum anderen können wir in unserer komplexen Welt nicht alle Belange beurteilen und sollten uns auf die Suche nach belastbaren Expertisen durch Dritte machen.    

In unserer Gesellschaft würde einiges besser laufen, wenn wir wieder ein wenig mehr nach dem Motto "Schuster bleib bei deinen Leisten" agierten und Fachleuten mehr Vertrauen entgegenbrächten. Nicht, dass alle Fachleute auch ausschließlich fachlich qualifizierte Aussagen treffen würden. Nein, leider gibt es hier und da Experten, die aus verschiedenen Gründen Ruf und Position missbrauchen. Allerdings gibt es Möglichkeiten Aussagen mittels der Schwarmintelligenz der Wissenschaft zu hinterfragen (z.B.Peer Review-Verfahren, IPCC). Wenn die Mehrheit renomierter Wissenschaftler eine Aussage bestätigt, kann man sie getrost als Stand des Wissens erachten und als einen aktuell belastbaren Fakt einordnen. Die Wissenschaften bieten uns den aktuell bestmöglichen Zugang zudem, was wir als Realität bezeichnen. Hat eine Aussage diesen Filter passiert, so sollten wir herangehen im persönlichen und politischen Rahmen die gesellschaftlichen Konsequenzen aus diesen Fakten abzuleiten. Oftmals mag es im Licht der Aufklärung zu verstörenden und schmerzhaften Wahrnehmungen kommen. Ich begreife es als unsere gesellschaftliche Aufgabe sich darin zu trainieren dies auszuhalten und dementsprechend konsequent und nach Kräften zu handeln.

 

Uns steht eine Vielzahl wissenschafts-journalistischer Formate zur Verfügung. Ob als print, im TV oder online, häufig werden einem wissenschaftliche Inhalte allgemeinsverständlich nähergebracht. Sofern man es überblicken kann, handelt die Mehrzahl der dort tätigen Moderatorinnen und Moderatoren nach dem Credo des Wissen verpflichtet. Natürlich sollten wir auch derartige Formate kritisch hinterfragen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie einem fundierten Hinterfragen Stand halten können. So beschäftigt sich aktuell Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer neuen Show Maithink X mit der Frage was eigentlich hinter dem Schlagwort wissenschaftlicher Konsens steckt und zeigt einige Fallstricke auf, die bei der Bewertung wissenschaftlicher Quellen zu beachten sind. Über das Format der Sendung lässt sich freilich streiten, inhaltlich halte ich sie für gelungen. Des wissenschaftlichen Konsens zu folgen, bedeutet natürlich nicht, dass Wissenschaftler gleich Politik selbst machen sollten. Nein, aber politische Entscheidungen sollten auf wissenschaftlichen Fundamenten ruhen. Unsere Aufgabe ist es wiederum, uns kritisch zu informieren um gesellschaftlich aktiv mitgestalten zu können. Hierzu müssen wir uns zunächst elementarer psychologischer Reaktionsmechanismen und ihrer Vor- und Nachteile bewußt werden.              

 
Von der Klimaangst zur Klimawandelfurcht

Eine konsequente politische Umsetzung setzt jedoch ein breites gesellschaftliches Verständnis für die Problematik und ein Verfügen über Handlungsoptionen voraus. Autoren wie George Marshall (Don´t even think about it) Frank Urbaniok (Darwin schlägt Kant) und Initiativen wie Psychologists For Future heben auf die psychologischen Probleme ab, die auftreten können, wenn Individuen sich bedrohlichen Informationen / Situationen ausgesetzt sehen. Wir reagieren spontan mit Angst, also emotional. Emotionale Reaktionen haben sich aus evolutionärer Perspektive als ein erfolgreiches Reaktionsschema etabliert, welches dem Individuum eine Anpassung an konkrete Bedrohungszenarien ermöglichen. In freier Wildbahn die schnelle Reaktion (Kampf, Flucht oder Einfrieren (totstellen)) mitunter über Leben und Tod entscheiden. Homo sapiens hat in den letzten 10 000 Generationen dieses Überlebensschema nicht nur weiterentwickeln, sondern auch noch erheblich erweitern können. Erweiterungen stehen uns über die vernunftorientierte Nutzung unserer Erfahrungen und Wissen zur Verfügung. Hierbei tritt das Problem auf, dass Vernunftorientiertes immer mit einem erhöhten Zeit- und Energieaufwand verbunden ist. Unsere spontanen Reaktionen fallen schnell einmal nach emotionalen Muster aus. Angesichts Problematiken höherer Komplexität (gesellschaftliche / ökologische Probleme) stehen uns derartiges Verhaltensschemata bei der Lösung solcher Probleme in einem erheblichen Maße im Weg. Sie stellen für komplexe Probleme nicht die richtigen Werkzeuge dar. Jedem können solche Affekthandlungen passieren. Wichtig ist, nur, dass man diese erkennt und das Reaktionsschema an den Grad der Komplexität anpasst. Leider ist dies leichter geschrieben als getan. so ist es häufig leichter sich sein Verhalten schönzureden, darauf zu beharren als sich der aufwändigen und energiezehrenden, vernunftorientierten Prozedur zu unterziehen.  

Dies bringt nun eine weitere Problemebene mit sich. Zum einen kommt man als Individuum nicht weiter bei der eigentlichen Problemmösung, da schlichtweg der falsche Werkzeugkasten genutzt werden soll, zum anderen macht man sich manipulierbar. So kann schnell aus einer anfänglichen Kampfbereitschaft (Bereitschaft zur Veränderung / Anpassung), Flucht (Das ist Sache der Politik oder der "Profis" oder ein Einfrieren (Hat alles keinen Sinn) werden. Zudem möchte man sich auch nicht Gefahr laufen, sich klimaängstlich zu outen. So greift das ökologische in das gesellschaftliche Bedrohungsszenario und erschwert es zusätzlich die adäquaten Werkzeuge zur Problemlösung zu finden und zum Einsatz zu bringen. Gesellschaftliche Stigmatisierungen können wie beim Unbegriff des Gutmenschen, erhebliche Konsequenzen für das gesellschaftliche Handeln einzelner mit sich bringen.

Auch vermeintliche zeitliche wie geographische Nichtbetroffenheit (Klimakrise findet später / woanders statt) verleiten uns dazu mit Kognitiven Verzerrungen auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Wir bagatellisieren ("Wird schon nicht so schlimm"), verdrängen ("Not my cup of tea") oder reagieren unsachlich skeptisch ("Es gibt auch andere Meinungen"). Je stärker wir uns persönlich betroffen fühlen, desto stärker reagieren wir mit einem krampfthaften Geradebiegen der Fakten (Backfire-Effect), da unser Gehirn der Stimmigkeit (Kohärenz) mit seiner Umwelt anstrebt.   

 

Derartiger Verzerrungsphänomen bewußt, kann sich jeder an ihrer / seiner individuellen Klima(-wandel) resilienz arbeiten, w.h. das Beste aus der aktuellen und künftigen Lagen zu machen. Hierzu gehört es an der Fähigkeit zur emotionalen Selbsregulation (distanziert Probleme zu betrachten) zu arbeiten, Empathie und Anpassungsfähigkeit zu trainieren und soziales Engagement möglichts mit zwischenmenschlichen Fähigkeiten und Kreativiät verbinden lernen. Aus sozialen Engagement lassen sich Entschiedenheit, Mut und Optimmismus ableiten. Gruppenbezogen kann das Gefühl für Selbstwirksamkeit und das Wohlbefinden der Mitglieder gesteigert werde. So kann jeder die eigene Klimawandelangst in eine rationale Furcht vor der Klimakrise überführen und sich so vernuunftbasierte Handlungsoptionen erstreiten.         

Hierzu auch: Germanwatch (Verdrängung und Resignation...) und Psychologists For Future (Klimaangst...).

Vielfach werden engagierten Gruppen Tendenzen zu sektenhaften Tendenzen unterstellt. Das Hinterfragen des eigenen Handelns und des Handelns der Gruppe solllte regelmäßig hinterfragt werden. Dies ist selbstverständlich auch vonnöten um Gruppenabläufe zu überwachen und die Wirksamkeit der Gruppe auf allen Ebenen überprüfen zu können. Beispielhaft möchte zwei Gruppen engagierter junger Menschen erwähnen, die in meinen Augen ein Stück des Wegs im Kampf um Klimawandelresilienz bereits zurückgelegt haben und die auch von uns älteren zurecht kritische Informationsbeschaffung und konsequentes gesellschaftliches Handeln einfordern. Die Aktivisten von Fridays for Future und dem Jugendrat der Generationenstiftung fordern dies zurecht regelmäßig von uns ein. Ich kann verstehen, dass junge Menschen Angst vor der Zukunft haben. Gerade in dieser Generation lassen sich aber auch relevante Lichtblicke ausmachen. Am September 21 widmete sich die Sendung Titel, Thesen Temperamente dem Thema Generationenungerechtigkeit. Der Beitrag umriss die existentiellen Probleme der heutigen Jugend, zeigte aber auch wie junge und kreative Köpfe mit Disziplin das Gespräch zur gemeinsamen Lösung aktueller Problemlagen suchen. Anstatt aber derartigen Gesprächsangeboten nachzukommmen, belächeln Angehörige meiner Generation derartige Vorstöße und reagieren mit Geringschätzung. „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis“. Dieses Zitat von C. Lindner aus dem Jahre 2019 spiegelt, auch wenn es vielfach relativiert wurde, die Meinung vieler Angehöriger älterer Generationen wider.

NEIN, die Kinder und Jugendlichen behaupten ja auch nicht die globalen Zusammenhänge in Gänze zu verstehen. Im Gegensatz zu vielen anderen, zuvor erwähnten problemhaften Informationstechniken, scheinen sie sich, in Bezug auf unser Hauptproblem, selbst einen alten Sinnspruch zu eigen zu machen: "Wer nicht von dreitausend Jahren Sich weiß Rechenschaft zu geben, Bleib im Dunkeln unerfahren, Mag von Tag zu Tage leben." Johann Wofgang von Goethe. Diese jungen Leute vertrauen auf den aktuellen Stand wissenschaftlichen Wissens als die belastbarste Informationsquelle, die uns zur Verfügung steht. Sie reagieren lediglich auf Modellierungen renomierter Institute (IPCC, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) und lassen sich von ihnen beraten. Ihr Engagement verstehe ich als eine Einforderung zur Umsetzung notwendiger Konsequenzen (z.B. Reduktion von Treibhausgasen) in konkretes politisches Handeln. Davon abgesehen, kann aktuell so mancher junger Mensch mit einem bestechenden Verständnis für ökologische Zusammenhänge aufwarten. Ich bin dankbar für derartiges Engagement...   

 

Die Forderungen dieser Aktivisten lauten nun, dass sich unsere Gesellschaft ihres wissenschaftlichen Zugangs zur Realität konsequent bedienen und ihr Handeln dementsprechend ausrichten sollte. Mithilfe neuer und traditioneller sozialer Praktiken können wir unser Wirtschaften an der ökologischen Tragfähigkeit unseres Planeten ausrichten. Wir können unsere Lebensweise dementsprechend anpassen. So müssten wir allenfalls fürchten die Umkehr zur Nachhaltigkeit nicht zügig genug umsetzen zu können. Wir könnten diese Umkehr aber im Bewußtsein versuchen, dass wir das menschenmöglich Beste aus unserer Situation machten.

Ich hoffe, dass diese jungen Menschen auch weiterhin von uns aufgeklärtes und verantwortliches Denken und Handeln einfordern. Noch viel mehr hoffe ich aber, dass WIR uns endlich dem harten Licht der Realität stellen und uns unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit entledigen. Verzerren oder ignorieren wir die Realität noch länger und finden gesellschaftlich nicht zueinander, so werden die Konsequenzen maßgeblich unbequemer sein. Infolge einer weiteren Unterminierung der inneren Sicherheit, erachte ich eine Wandlung zu einer autoritären Gesellschaftsform als eines der realistischeren Szenarien zukünftiger Entwicklungen. Auf der anderen Seite könnte aber eine Umkehr und ein gewisser Bequemlichkeitsverzicht auch dazu führen, dass wir von Getriebenen zu Gestaltern unserer Krisen werden. Dann könnten wir beginnen aus unseren Fehlern zu lernen und das Projekt einer lebenswerten Zukunft für die Menschheit in Angriff nehmen. In Anlehnung an Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman (2019) halte ich es für sehr sinnvoll einmal die historische Perspektive zu nutzen und zu schauen, welche bereits traditionellen Modelle nachhaltigen gesellschaftlichen Handelns uns aktuell weiterbringen könnten (Annette Kehnel, 2021: Wir konnten auch anders). 

 

Gegen Ende stehen einmal wieder neben vielen anderen diese beiden essentiellen Fragen im Raum: 

 

  • Wer, wenn nicht wir?
  • Wann, wenn nicht jetzt? 

 

 

Ihr guidO Kossmann 

 

p.s. Zum Glück steht eines jetzt schon fest: Aus dem Staub wird sich im Übrigen keiner machen können...             

             

Quellen
  • Wikipedia / Böckenförde Diktum 

  • Meadows, D.  et al. (1972): The Limits to growth - A report for the Club of Rome´s Project on the Predicament of Mankind. /                                                                                                                                                 Die Grenzen des Wachstums - Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Deutsche Verlags Anstalt, Stuttgart.

  • Fromm, E. (1979): Haben oder Sein -  Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. DTV, München. 

  • Bundesverfassungsgericht: Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich.

  • Das Wort zum Sonntag 10/2021 / Behnken, A.: Die Bescheidwisser. 

  • Reckwitz, A. (2018): Die Gesellschaft der Singularitäten. Suhrkamp Verlag, Berlin 

  • Gert Scobel & Byung-Chul Han (2021): Digital Detox - wie Philosophie hilft Ruhe zu finden. 

  • Artede 10/2021: Klimawandel - Manipulation statt Information. 

  • von Weizsäcker, E.U.  & A. Wijkman (2019): Wir sind dran - Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. _ Einbe neue Aufklärung für eine volle Welt. Random House, Gütersloh. 

  • Kehnel, A. (2021): Wir konnten auch anders.Ein kurze Geschichte der Nachhaltigkeit. Blessign Verlag, München.

  • SRF Sternstunde Philosophie 10/2021. Welzer, H.: Wir müssen aufhören!

  • Weltklimarat (de-ipccc.de)

  • Maithink X die Show 10/2021:Meinungsfreiheit.     

  • Marshall, G. (2014): Don´t even think about it - Why our brains are wired to ignore global change. Bloomsburry, London, Oxford, New York...

  • Germanwatch / Blog 10/2021: Verdrängung und Resignation - oder Hoffnung, Mut und Handeln? Wie wir resilient auf globale Herausforderungen reagieren können.

  • Psychologists For Future: Klimaangst – Anmerkungen zu einem aktuellen Schlagwort der Klimakrise.  

  • Urbaniok, F. (2020): Darwin schlägt Kant - Über die Schwächen der menschlichen Vernunft und ihre fatale Folgen. Orell Füssli Verlag, Zürich.

  • fridaysforfuture.de

  • generationenstiftung.com 

  • Titel, Thesen, Temperamente 08/2021: Generationengerechtigkeit.  

  • von Goethe, J. W. (1819): West-östlicher Diwan.